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Carbonschuhe für Freizeitläufer

Carbonschuhe für Freizeitläufer

Das Thema Carbonschuhe für Freizeitläufer hat seit einiger Zeit einen festen Platz in den Diskussionen der Laufszene. Waren die Schuhe ursprünglich den Profiläufern vorbehalten, beschäftigen sich mittlerweile auch immer mehr Hobbyläufer mit den schnellen Tretern. Befeuert wird der Hype um die schicken, schnellen Schuhe durch immer neue Bestzeiten, wie zuletzt z.B. beim Berlin-Marathon.

 

Gleichzeitig lesen wir in aktuellen Studien von einer zunehmenden Verletzungsanfälligkeit, die den Schuhen zugeschrieben wird.

 

Auch meine Sportler haben ein Auge auf Carbonschuhe geworfen und fragen mich immer wieder um meine Meinung zu dem Thema.

 

Ich versuche mal, Euch ein paar Antworten zu geben und meine Meinung zu den Schuhen zu skizzieren.

Was ist Carbon denn eigentlich, was macht die Schuhe schnell, was machen sie mit unserem Körper, was bringen sie uns Hobbyläufern und was sind aus meiner Sicht die Voraussetzungen, einen solchen Schuh laufen zu können?

 

Was ist Carbon? Wie ist Carbon in den Schuhen verbaut, was macht die Schuhe schnell, wofür und für wen sind sie gedacht?

Carbon sind zunächst einmal schlicht und einfach Kohlenstofffasern. In unserem Zusammenhang gemeint ist aber ein sehr leichter und hochsteifer Faserverbundwerkstoff, der aus Kohlenstofffasern und einem Kunststoff, z.B. Epoxid- oder Polyesterharz besteht.

In Form einer Platte ist dieser Werkstoff in der Zwischensohle von Carbonlaufschuhen verbaut.

Diese Platte versteift den Schuh vor allem im vorderen Bereich, sodass der Läufer beim Abrollen die Zehen nicht mehr krümmen muss. Das funktioniert dadurch, dass die Zehengelenke durch die unflexible Platte steifgehalten werden, was bei jedem Schritt weniger Energie benötigt. Den eigentlichen Effekt entfaltet diese Platte aber erst in Kombination mit einem sehr weichen, reaktiven und rückfedernden Schaummaterial der Sohle. Diese Sohle führt dazu, dass die Schuhe von vielen Läufern als etwas instabil und schwammig empfunden werden. Zusammen mit der Carbonplatte entwickelt diese Materialkombination jedoch einen Push-Effekt, ähnlich wie ein Trampolin oder eine Sprungfeder, der den Abdruck unterstützt und richtig Spaß macht.

Gedacht und entwickelt wurden diese Schuhe vor allem für den Wettkampf und schnelle Trainingseinheit, und für schnelle und erfahrene Läufer mit einer guten Körperspannung und einem sauberen Laufstil.

 

Was machen die Schuhe mit unserem Körper? Warum steigt die Verletzungsanfälligkeit?

Wie die Schuhe funktionieren, habe ich gerade bereits beschrieben. Dabei sind es zwei Aspekte, auf die ich Eure Aufmerksamkeit richten möchte:

  1. Die Versteifung der Zehengrundgelenke durch die Carbonplatte
  2. Das sehr weiche Material der Sohle

 

Schauen wir uns zunächst einmal den ersten Aspekt an:

Durch die Versteifung der Zehengrundgelenke sparen wir Energie, da die Zehengelenke nicht gebeugt werden müssen. Diese Einsparung liegt tatsächlich aber eher im homöopathischen Bereich und wird erst bei höheren Geschwindigkeiten bis hin zum Sprint richtig interessant.

Die Versteifung sorgt jedoch dafür, dass der Hebel zum Sprunggelenk größer wird und die Belastung für Plantarsehne, Achillessehne und Wadenmuskulatur signifikant steigt und damit auch die Verletzungsanfälligkeit bzw. die Gefahr von Überbelastungen in diesen Bereichen.

 

Der zweite Aspekt, das sehr weiche Material der Sohle, und der in Kombination mit der Carbonplatte erreichte Push-Effekt, ist einen weiteren, genaueren Blick wert:

Ich hatte zuvor schon erwähnt, dass Läufer berichten, dass sich die Carbonschuhe irgendwie weich, instabil und wackelig anfühlen. Vor allem für Läufer, die wie ich im Wettkampf sehr direkte und eher etwas festere, weniger gedämpfte Schuhe bevorzugen, ist der Unterschied sehr deutlich spürbar.

Hinzu kommt, dass die Schuhe aufgrund ihrer Form eher für Mittelfußläufer geeignet sind und Dich beim Laufen „nach vorne setzen“. Sprich, den Effekt der Schuhe spürst Du am deutlichsten, wenn Du an einen bestimmten Abdruckpunkt im Mittelfußbereich kommst. Beim Mittelfußaufsatz hast Du eine deutlich geringere Auflagefläche des Fußes als dann, wenn Du eher im Fersenbereich aufsetzt.

Diese Aspekte führen zu einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit in Sprunggelenken, Knien und Becken, bzw. Hüfte.

 

Was bringen Carbonschuhe für Freizeitläufer?

Ganz ehrlich? In dem Tempobereich, in dem sich die meisten von uns bewegen, bringen die Carbonschuhe im Hinblick auf eine Verbesserung der Zeit wenig bis nichts.

Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann beschreibt das so: „Wir messen bei Läufern bei moderater Geschwindigkeit, also weniger als 11 Kilometer pro Stunden eine Ersparnis von weniger als 2 Joule pro Schritt. Bei höheren Geschwindigkeiten von mehr als 15 Kilometern pro Stunde sind es knapp 7 Joule pro Schritt. Wenn man weiß, dass ein Laufschritt rund 350 Joule an Energie für den mechanischen Vortrieb kostet, ist das zumindest bei geringen Laufgeschwindigkeiten nicht allzu viel“. (Zit.: Laufschuh-Technologie – Was Carbonplatten im Schuh dem Freizeitläufer bringen, 15.05.2020 10:53, Redaktion laufen.de). Im höheren Geschwindigkeitsbereich, also bei schnellen Tempoläufen oder Sprints sieht das etwas anders aus, dort fällt der Tempogewinn deutlicher aus.

Dennoch machen die Schuhe auch Freizeitläufern einfach Spaß und ich persönlich merke, dass ich bei gleicher Geschwindigkeit ermüdungsfreier laufe und sich die Beine länger frisch anfühlen. Und da bin ich nochmal ehrlich, das gefällt mir.

 

Voraussetzungen, um einen Carbonschuh zu laufen

Wenn Du mit dem Gedanken spielst Dir einen Carbonschuh zuzulegen, dann möchte ich Dir ein paar Tipps geben.

  1. Die aus meiner Sicht absolut wichtigste und unverzichtbare Voraussetzung ist eine gute Lauftechnik und eine sehr gute Körperstabilität. Du braucht eine ausgesprochen gut trainierte Fuß-, Sprunggelenks-, Waden- und Coremuskulatur um den Schuh sicher laufen und die Effekte überhaupt umsetzen zu können. Du solltest eher Mittelfußläufer sein und konsequentes Krafttraining muss unbedingt zu Deiner Trainingsroutine gehören. Selbst dann wirst Du nach dem ersten Lauf vermutlich noch die stärkere Beanspruchung spüren und solltest das Zeichen auch unbedingt ernst nehmen und an Deinen Schwachstellen arbeiten. Aktuelle Studien zeigen, dass selbst bei Profiläufern die Verletzungen steigen und spätestens das sollte uns Hobbyläufern eine Warnung sein.
  2. Die Schuhe sind alles andere als günstig und nur für vergleichsweise wenige Laufkilometer gebaut. Halten normale Laufschuhe auch schonmal bis zu 1000 km, sind Carbonschuhe bereits nach 250 – 350 km „durch“. Lasse Dich hier wirklich von einem Fachmann beraten welcher Schuh optimal für Dich ist, damit Du bei der großen Auswahl den geeigneten Schuh für Dich findest und dann auch richtig Spaß an ihm hast.
  3. Taste Dich insgesamt langsam an die Schuhe ran. Wie auch bei den Barfußschuhen, solltest Du nicht sofort einen langen Lauf absolvieren, sondern zunächst einmal ganz langsam starten und den Umfang dann in Ruhe aufbauen.
  4. Bedenke dann, dass ein Carbonschuh kein Alltagsschuh ist. Du solltest ihn – so viel Spaß es auch macht ihn zu laufen – nach der Eingewöhnung nahezu ausnahmslos im Wettkampf tragen. Da ich der Meinung bin, dass man sich an den Schuh immer ein bisschen gewöhnen muss, empfehle ich in der Regel vor einem Wettkampf 3 Trainingsläufe mit dem Schuh zu absolvieren: einen Lauf nach Gefühl, um sich einfach ein bisschen einzugrooven und den Abdruckpunkt zu finden, einen Lauf mit Tempo, also einen Tempodauerlauf oder Intervalle, und einen längeren Lauf, der ungefähr an die Länge des Wettkampfs rankommt (entweder in Länge oder Dauer).

Wenn Du ein paar grundlegende Aspekte beachtest und nicht erwartest jede Bestleitung zu pulverisieren, dann kann ein Carbonschuh durchaus Spaß machen, ein anderes Laufgefühl geben, einen neuen Trainingsreiz setzen und sollte Dich zumindest zu konsequentem Athletik- und Lauftechniktraining ermuntern.

 

 

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