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Sind wir Trainer tatsächlich immer Vorbilder?

“Andrea, weißt du, was ich besonders klasse finde, ist die Tatsache, dass wir Trainer immer die besten Ratschläge für unsere „Kunden“ haben, aber wenn wir selbst im Wettkampf sind diese vollkommen vergessen. Das hast du definitiv nicht: klar analysiert, neue Taktik festgestellt und sauber den Wettkampf mit verschobenen und richtigen Zielen zu Ende gebracht. Das schafft nicht jeder Trainer und ist wirklich bemerkenswert.”

Diesen sehr lieben Kommentar hat ein Trainerkollege auf meinen Facebook-Bericht zum Berliner Halbmarathon geschrieben.

 

Bei diesem Lauf lief eigentlich alles perfekt. Das Wetter war genial, die Stimmung und die Strecke toll und auch die Beine hatten Lust zu laufen. Die erste Hälfte des Rennens lag ich entspannt auf Kurs unter zwei Stunden. Doch dann lief es anders als geplant. Es wurde warm und wärmer und die Luft staute sich zwischen den Häusern.

Die Verpflegungsstellen waren auf die Nachfrage nach Wasser nicht wirklich eingestellt und ich musste immer wieder anstehen um ein Getränk zu bekommen. Mein Körper war noch nicht auf die Wärme eingestellt und der Lauf fiel mir immer schwerer, dennoch konnte ich die Pace recht gut halten. Leider kamen einige Mitläufer nicht ganz so gut mit der Wärme klar und auf den letzten Kilometern musste ich drei Mal warten um einen Rettungswagen vorbeizulassen. Das kostete Zeit, Kraft und Nerven und ich entschied mich kurzerhand den grandiosen Lauf “nur noch” zu genießen und bin entspannt ins Ziel gelaufen, die Zeit war egal… 

 

Heute morgen habe ich mich erwischt, dass mir der Kommentar immer noch im Kopf rumspukte. Ich denke darüber nach, was ich als Trainerin eigentlich leisten kann. Was ich meinen Sportlern mit auf ihren Weg in den Wettkampf gebe. Wo sind meine Grenzen? Was lebe ich meinen Klienten durch mein eigenes Training, meine Wettkämpfe und meine Einstellung zum Sport vor? Gibt es da tatsächlich Unterschiede? Was sind eigentlich die Werte, die ich meinen Klienten vermitteln möchte?

Mit meinen Überlegungen bin ich bestimmt noch nicht am Ende.

 

Sicher bin ich mir jedoch, dass es mir am Herzen liegt zu vermitteln, dass Sport in erster Linie Freude bereiten soll. Bei allem Leistungsdenken und allem Ehrgeiz, den auch ich absolut habe, sollte die Gesundheit immer im Vordergrund stehen.

 

Ich habe in den letzten Jahren einige Sportler auf Wettkämpfe vorbereitet, bei denen neue Bestzeiten im Fokus standen. Viele Sportler haben ihre Ziele erreicht, der ein oder andere aber auch nicht. Oftmals waren das Sportler, die die Vorbereitung hervorragend absolviert haben, und bei denen ich kaum Zweifel hatte, dass sie ihre Ziele auch erreichen werden. Am Wettkampftag kam dann aber einiges anders als gedacht… es war zu warm, es regnete in Strömen, eine Erkältung kam über Nacht, eine Blase am Fuß, Magenprobleme oder dieser ominöse “Kopf” machten einen Strich durch die Rechnung. Für mich als Trainerin ist die Enttäuschung in den Momenten fast ebenso groß wie die der Sportler, habe ich doch den kompletten Wettkampf und die Monate der Vorbereitung intensiv miterlebt. Und klar stelle ich mir dann die Frage, was hätte ich als Trainer anders/besser machen können. Und lerne aus den Schlüssen, die ich dann ziehe.

 

Aber bei aller Vorbereitung sind wir halt keine Roboter und können manche Dinge, die während eines Wettkampfs passieren, nicht ändern. Was ich allen Sportlern mit auf den Weg gebe ist: hört auf Euren Körper. Gebt Euer Bestes, kämpft, quält Euch, aber habt immer im Kopf, dass Ihr noch lange Sport treiben wollt, und keine Bestzeit es wert ist, Eure Gesundheit aufs Spiel zu setzen!

 

Und ja, genau das gilt auch für mich, mein Training und meine Wettkämpfe. Ich habe große Freude an jeder Form der Bewegung. Ich freue mich mega über Erfolge meiner Sportler und auch über meine eigenen Erfolge. Neben allem Training versuche ich immer wieder auch für mich selbst kleine Ziele zu setzen und darauf hinzutrainieren. Manchmal klappt das, manchmal auch nicht. Dann braucht es etwas Geduld und es gibt einen neuen Versuch. Bei alldem stehen bei mir der Spaß und die Gesundheit ganz weit oben. Und ich hoffe sehr, dass es mir gelingt, meinen Sportlern genau das mit auf den Weg zu geben, damit Ihr lange gesund und munter Sport treiben könnt.

 

Ich denke nochmal ein bisschen weiter …